Das Bündnis WirsindEichstätt hat den AK Shalom für Gerechtigkeit und Frieden an der Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt gefragt, ob wir als Menschenrechtsorganisation etwas zur Lage in der Ukraine sagen wollen.
Es soll bei dieser Solidaritätskundgebung um die Perspektive der Ukrainerinnen und Ukrainer gehen. Darum sprachen auch zuerst Menschen aus der Ukraine zu uns.
Ich werde hier also Stimmen aus der Ukraine wiedergeben, denn allzu oft vergessen wir beim Blick auf Konflikte die Opfer von Angriffen ebenso wie deren historische Dimension.
In einem Kommentar in der SZ vom WE zitiert die freie Publizistin Carolin Emcke die Dichterin Ingeborg Bachmann: Der Krieg wird nicht mehr erklärt, sondern fortgesetzt. Das Unerhörte sei alltäglich geworden. Emcke weiter: „Den Krieg hatte Wladimir Putin schon lange nicht mehr erklärt, sondern nur noch fortgesetzt, in unterschiedlichen Gegenden mit unterschiedlichen Lügen. Das Unerhörte war nur denen alltäglich geworden, die sich davon nicht betroffen glaubten.“ Soweit das Zitat
Putin hat 2008 einen Krieg in Georgien geführt, 2014 die Ukraine überfallen, völkerrechtswidrig die Krim annektiert und führt im Donbas seither Krieg. In dem Konflikt kamen bis heute mehr als 14.000 Menschen um. Der Donbas ist eines der am schlimmsten verminten Gebiete weltweit.
Auf Solidaritätsdemonstrationen auf der ganzen Welt sind auch Fahnen Georgiens und der freien syrischen Armee zu sehen. Putin unterstützt seit 2015 den Diktator Assad in Syrien. Zu welcher Brutalität Russland fähig ist, zeigen die Bombardements auf Krankenhäuser, Märkte und Schulen in Aleppo, Ost-Ghouta und Idlib. Bis heute.

Die ukrainische Schriftstellerin Tanja Maljartschuk, die 2018 den Ingeborg-Bachmann-Preis erhielt, schreibt in einem Beitrag, der am 24. Februar 2022 in der SZ erschien, also an dem Tag, an dem Putin den Krieg gegen die Ukraine begann, zwei Tage nach seiner bizarren Kriegserklärung: „Meine in der Ukraine lebende Mutter ist sehr gläubig. Aus der Kirche brachte sie vor Kurzem COVID nach Hause. Ich frage sie, ob es in dieser Kirche, die riesig ist, wenigstens einen Keller gibt, wo man sich im Fall eines Luftangriffes verstecken kann. Die Mutter antwortet, sie wisse es nicht, aber sie google es gleich nach. Im einundzwanzigsten Jahrhundert googelt meine fast siebzigjährige Mutter nach einem Schutzbunker.“
Maljartuschk schreibt weiter, dass sich Diktatoren in der Rolle der dämonischen Genies gefallen würden „Das sollten wir ihnen nicht zugestehen. Sie sind ganz gewöhnliche Gewalttäter ohne jedes Geheimnis…es ist nichts Außergewöhnliches oder Mysteriöses an Diktatoren, sie verfügen über keine hervorragenden, geschweige denn übernatürlichen Fähigkeiten…Sie manipulieren, kontrollieren, lügen, bluffen, entschuldigen sich niemals (…)“
Die Literaturwissenschaftlerin Verena Nolte, die seit sieben Jahren deutsch-ukrainische Schriftstellertreffen organisiert, sagt, die meisten Autorinnen und Autoren wollten im Land bleiben, so auch der Schriftsteller Juri Andruchowytsch. Er warnte seit vielen Jahren vor einem russischen Angriff. Bei einem Bombenangriff am Freitagmorgen sagte er zu Verena Nolte: Er sei bereit, sich den Partisanen anzuschließen.
Bei einer Ansprache zu den Menschen in der Ukraine und der Welt sagte ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj, dass Putin nichts von der Ukraine verstanden habe. Bomben zerstörten am 1. März 2022 die Gedenkstätte von Babyn Jar. Die Nazis hatten dort über 34.000 Jüdinnen und Juden ermordet und verscharrt. Selenskyj ist Nachfahre von Holocaustüberlebenden und -opfern.
In ihrem ukrainischen Tagebuch erzählt Oxana Matiychuk in der SZ vom 8. März 2022 von einem kurzem Trip zum Dolmetschen an die Grenze nach Rumänien: „Die Hilfsbereitschaft in Rumänien ist überwältigend. Freiwillige, Übersetzer, warmes Essen, Kleidung. Feuerwehrautos bringen Menschen nach Siret, dem nächsten Ort, wo Abholende warten. Bis an die Grenze dürfen sie mit ihren privaten Autos nicht fahren. Dann eine Begegnung am Ortsrand, ein Kennenlernen, eine Umarmung … Die Zeiten haben sich gewandelt: Deutsche bringen Ukrainerinnen und Ukrainer vor Russen in Sicherheit, ganz Europa versucht das verzweifelt.“
In einem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau vom 8. März 2022 berichtet die ukrainische Künstlerin Olia Fedorova vom Alltag in Charkiw zwischen Barrikaden und Molotow-Cocktails: „Die meisten Menschen haben sich überhaupt nicht vorbereitet, weil nur wenige daran geglaubt haben, dass Putin wirklich angreifen würde. Erst als sich die russische Armee in der Nähe unserer Grenzen versammelte, fingen einige Leute an, Notfallrucksäcke zu packen.“
Dies ist ein Krieg des Diktators Putin gegen die Ukraine. Kein Krieg des russischen Volkes gegen das ukrainische. In Russland riskieren Demonstrierende gegen diesen Krieg, der nicht als solcher benannt werden darf, viele Jahre hinter Gittern zu verschwinden.
Vor sieben Jahren wurde in Moskau der Regierungskritiker Boris Nemzow erschossen. Sein Mitarbeiter und Kämpfer für die Demokratie, Wladimir Kara-Mursa, wurde zweimal vergiftet. Trotzdem kehrte er zurück, um Zeugnis abzulegen und für Veränderung zu kämpfen. Alexey Nawalny entkam nur knapp dem Tode nach einem Giftanschlag auf ihn. Auch er kehrte zurück und wurde zu 15 Jahren Lagerhaft verurteilt.
Dmitrij Muratow ist Friedensnobelpreisträger und Mitgründer der Nowaja Gaseta, der wichtigsten unabhängigen Zeitung Russlands. Am Tag des Kriegsbeginns erschien die Zeitung in russischer und in ukrainischer Sprache. Die erste Seite war schwarz.
Nun hat die Zeitung ihre Berichterstattung beendet, ebenso wie der regierungskritische Sender Doschd und Echo Moskwy. Aufgrund der Androhungeiner strafrechtlichen Verfolgung von Journalisten werde man die Berichterstattungbeenden. „Wir schämen uns, dass wir diesen Schritt gehen müssen, während unsere Freunde, Bekannten und Verwandten in der Ukraine durch eine regelrechte Hölle gehen. Und das auf beiden Seiten.“ schreibt Nikita Kondrajew von der Nowaja Gaseta. Allein sechs Journalistinnen und Journalisten dieser 1993 gegründeten Zeitung wurden ermordet. Die bekannteste war Anna Politkowskaja. Nachdem sie einen Giftanschlag überlebt hatte, wurde sie 2006 erschossen.
Es ist ein brutaler Angriffskrieg, dem schon so viele Menschen zum Opfer fielen, in den viele junge russische Rekruten gezwungen wurden.
Zugleich gibt es auf der ganzen Welt Solidarität mit den mutigen Menschen in der Ukraine.
Ein Mitglied des AK Shalom, der inzwischen bei der OSZE in Warschau im Bereich Menschenrechte arbeitet, erzählte gestern in einem Videotelefonat von der überwältigenden Hilfsbereitschaft in Polen, von gut organsierten Bussen für Waisenkinder und für behinderte Menschen. Auch hier in Deutschland sehen wir das.
Stehen wir ein für die Menschen in der Ukraine, für Geflüchtete, für Menschen, die in Bedrängnis sind. Ebnen wir der Ukraine den Weg in die Europäische Union.
